Motivschlagwort

Der Schlagwortzusatz "<Motiv>" ist von der DNB-Expertengruppe Sacherschließung in der 9. Sitzung (2010) als Interimslösung bezeichnet worden. Als Grund hierfür wird genannt, dass die Einführung eines Rollenoperators innerhalb des GND-Projekts nicht geleistet werden könne. Statt dessen sei diese Aufgabe in einem separaten Projekt nach Aufnahme des GND-Produktivbetriebs zu lösen.

Motive in der Museumsdokumentation

Die Nachteile des Motiv-Zusatzes bei der bibliothekarischen Erschließung sind seither verschiedentlich angesprochen worden. Im Rahmen der Museumsdokumentation kommen weitere Nachteile hinzu.

So werden die Sammlungsstücke einer Foto-, Postkarten- oder sonstigen Bildersammlung in der Regel anhand einer Nennung des Bildmotivs gesucht. In diesem Kontext wird damit nicht nur jedes Sachschlagwort, sondern auch jeder verwendete Individualbegriff (Person, Ort, Bauwerk) zum Motivschlagwort. Eine Fortschreibung der gegenwärtigen Praxis würde damit eine Doppelung großer Teile des GND-Bestandes nach sich ziehen.

Die im Museumsbereich genutzten Datenmodelle unterscheiden praktisch durchgängig zwischen dem, was der beschriebene Gegenstand ist (z.B. Axt als Objekttyp) und worauf er verweist (z.B. Axt als abgebildeter Gegenstand). Letzteres impliziert damit stets die Rolle des Gegenstands als Motiv.

Es mag eingewendet werden, dass die überwiegende Zahl der Motiv-Zusätze nur Schlagworte betreffen, die nicht als Objektbezeichnung in Museen in Betracht kommen (z.B. "Altersversorgung <Motiv>"). Gleichwohl bleibt damit die Unklarheit bestehen, ob beispielsweise ein Plakat zum Thema Altersversorgung inhaltlich mit "Altersversorgung" oder mit "Altersversorgung <Motiv>" zu verschlagworten wäre.

Ein provisorischer Lösungsansatz für Museen könnte darin bestehen, dass Erfassungssysteme bei der Schlagwortauswahl die Motivschlagwörter aus dem GND-Bestand herausfiltern. Dies würde allerdings eine kurzfristige und koordinierte Aktivität seitens der Anbieter von Erfassungssoftware voraussetzen, die erfahrungsgemäß in dieser Form nicht zu erwarten ist.

Realistischer erscheint dagegen die Möglichkeit, museumsspezifische Schnittstellen zur GND einzurichten, die verschiedene Filteraufgaben übernehmen können. Damit entfiele zumindest die Koordination zwischen Anbietern von Museumssoftware.

Vorkommen und Nutzung

Zur Zeit (Feb. 2019) gibt es ca. 10.500 Deskriptoren in der GND, die als "Motiv" als Zusatzbezeichnung enthalten. Hiervon sind ca. 8.400 der Entität Zweifelsfälle (szz) zugeordnet, etwa 2.100 sind reguläre Schlagworte (saz). GND-Desktiptoren mit Motiv-Zusatz werden auch von Museen für die Erschließung verwendet. Das Deutsche Historische Museum hat 1.324 solcher GND-Deskriptoren in Verwendung und auch bei einigen anderen Museen ist eine Nutzung nachweisbar.

Wann ein Motivschlagwort benutzt wird, unterscheidet sich je nach Einrichtung. Die unabgestimmte Praxis der Vergabe von Motivschlagwörtern verringert sowohl die Vollständigkeit (Recall) als auch die Spezifität (Precision) der Suchergebnisse. Wenn Motivschlagwörter in Zukunft beibehalten werden, wäre eine spartenübergreifende Regelung der Verwendung hilfreich. Wenn Motivschlagwörter dagegen aufgelöst werden, wäre zu klären, wie der Sachverhalt "ein Motv zu sein" anders ausgedrückt werden kann und wie dann die indexierten Objekte aktualisiert werden können.

Einige ungeordnete Beobachtungen zu Motivschlagwörtern

  • Es gibt GND-Deskriptoren, die ohne HZ nur als Motiv definiert sind, zum Beispiel Brustbild.
  • In der Museumsdokumentation können "Motive" in unterschiedlicher Gestalt erscheinen: Ein Vogelnest als Präparat zum Beispiel ist etwas anderes als ein fotografiertes reales Vogelnest, ein künstlerisch gestaltetes Vogelnest oder eine naturkundliche Zeichnung. (Die Erschließung des letzten Beispieles ist fehlerhaft, der Bezug zum Werk nicht vorhanden.)
  • In der DNB wird das Motivschlagwort Vogelnest <Motiv> zur Indexierung zum Beispiel von Bildbänden mit Zeichnungen verwendet.
  • Im AAT werden Motivschlagwörter (motifs) in der engeren Bedeutung von gebräuchlichen Gestaltungselementen verwendet: "Distinct or separable design elements, usually decorative, whether occurring singly as individual shapes." Ein Beispiel ist Zwiebelmuster oder Putte, weitere Beispiele finden sich in der Hierarchie für motifs im AAT.
  • Weitere Bezeichnungen für Motive finden sich in der Kategorie:Ikonographie im RDK-Labor. 

Anwendungsbeispiele für Motivschlagwörter in der DDB

1. Ein Deskriptor (Thesaurusbegriff oder Klasse einer Klassifikation) ist auf ein Motivschlagwort gemappt. Ein Beispiel sind die Klassen von "Vokabular digiCULT Ikonographie", die auf Motivschlagwörter der GND abgebildet sind. Eine dieser Klassen kann mit einem oder mehreren Motivschlagwörtern verbunden sein, wie in der folgenden LIDO-Instanz:

<lido:subject lido:type="Ikonographie">
<lido:subjectConcept>
<lido:conceptID lido:type="uri" lido:source="xTree">http://digicult.vocnet.org/ikonographie/3.1908</lido:conceptID>
 <lido:conceptID lido:type="uri" lido:source="GND">http://d-nb.info/gnd/4157054-6</lido:conceptID>
 <lido:conceptID lido:type="local" lido:source="Iconclass">46A</lido:conceptID>
 <lido:term lido:pref="preferred" lido:addedSearchTerm="no" xml:lang="de">Gesellschaft/gesellschaftliches Leben</lido:term>
 <lido:term lido:addedSearchTerm="yes" lido:label="Zusatz">Multikulturalismus</lido:term>
</lido:subjectConcept>
</lido:subject>

Die Klasse Gesellschaft/gesellschaftliches Leben (derefenziert nicht!) aus "Vokabular digiCULT Ikonographie" (entspricht 46A Gesellschaft; Leben in der Gesellschaft in Iconclass) ist auf das Motivschlagwort Gesellschaft (Motiv) der GND gemappt.

2. Motivschlagwörter werden häufig vom Deutschen Historischen Museum verwendet, zum Beispiel ausführlich bei einer Fotografie mit dem Titel Askari bei einem Unterstand.

Fazit

Zwei Anwendungsfälle sind denkbar:

  1. Die Aussage, dass auf einen Deskriptor als Motiv Bezug genommen wird, kann in Kataloginstanzen durch z.B. MARC 21 "650 $e – Relator term" ausgedrückt werden.
  2. Wenn es möglich sein soll, einem GND-Entitätstyp (z.B. Bauwerk) ein Motiv zuzuordnen, wäre eine Relation "gndo:hatMotiv" (oder ähnlich formuliert) erforderlich.